Wilde Waterkant

Nordfriesland und seine Gänse

ARTE | 20.03.2022
360° GEO Reportage

„Die Gänse kommen!“, für Martin Kühn ist das ein Grund zum Jubeln, jedes Jahr. Hunderttausende sind es, die sich im April in Nordfriesland niederlassen. Die meisten wollen sich noch einmal richtig fett fressen, bevor es weiter geht in die arktischen Brutgebiete. Martin ist Schutzpatron der Gänse. Engagiert und liebevoll kümmert er sich um das Wohlergehen der Vögel.

„Die Gänse kommen!“, für Momme Volquardsen ist das ein Grund zum Fluchen. Und es werden immer mehr. Riesige Schwärme lassen sich im Frühjahr auf seinen Feldern nieder und fressen die jungen Grashalme weg. Momme und seine Familie sehen sich als Opfer der Gänse. Und tun alles, um sie zu verjagen.

An der Küste wird leidenschaftlich gestritten, wie es mit den Tieren weitergehen soll: Bleibt Nordfriesland ein Paradies für Gänse oder wird man ihre Anzahl drastisch reduzieren?

 

Ein besonders wichtiger Film für mich. Er spielt in meiner Heimat Nordfriesland. Ich habe wochenlang auf der Lauer gelegen, um die Gänse mit der Kamera einzufangen.

 

Es geht um die Meergänse: Zugvögel, die an Küsten leben und sich ausschließlich von Pflanzen ernähren. Am bekanntesten sind die Nonnengänse und die Ringelgänse. Zweimal im Jahr machen sie Rast in Nordfriesland. Einmal im Frühjahr, auf ihrem Weg in die arktischen Brutgebiete. Einmal im Herbst, auf ihrem Weg ins Winterquartier. Es werden immer mehr. Mittlerweile sind es Millionen.

Seit einiger Zeit gibt es sogar Kolonien von Nonnengänsen, die nicht mehr in den Norden fliegen und lieber in Nordfriesland nisten. Ein Alptraum für die Landwirte…

 

Der Film erzählt eine große Migrationsgeschichte: Er beginnt Ende März, wenn sich riesige Gänseschwärme an der Küste niederlassen, und endet im Oktober, wenn die Vögel in ihre südlichen Winterquartiere abreisen.

 

Alle Protagonistinnen und Protagonisten dieses Films fühlen sich den Vögeln besonders verbunden. Die meisten positiv, manche negativ. Sie engagieren sich hingebungsvoll für den Schutz der Gänse, erforschen die Tiere, bekämpfen sie hartnäckig oder verdienen mit ihnen ihren Lebensunterhalt.

Martin Kühn hat sein Leben ganz den Vögeln gewidmet und ist ständig an der Küste unterwegs. Beruflich als Ranger für den ‚Landesbetrieb Küstenschutz‘, privat als leidenschaftlicher Birdwatcher, Vogelretter, ‚Vogeldoktor‘, Vogelstimmen-Sammler, wissenschaftlicher Berater oder Fernglas-Entwickler. Man kann sicher sein: Wenn es in Nordfriesland um Gänse geht, hat Martin seine Finger im Spiel.

Momme Volquardsen mag Gänse. Allerdings nur, solange sie nicht auf seinen Feldern landen und sich dort satt fressen. Momme stammt aus einer alteingesessenen Landwirtsfamilie und lebt im Sönke-Nissen-Koog, auf fruchtbarem Marschland, direkt hinterm Deich.

Ein selbstbewusster Landwirt, der weiß, was er will: Und dazu gehören keine lebenden Gänse auf seinem Land. Er fühlt sich von den Vögeln bedroht und handelt, verscheucht die Gänse mit allerlei Mitteln. Aber das klappt nicht immer gut. Die Jagd auf Meergänse ist bisher verboten. Momme möchte das ändern und fordert Abschussquoten.

Wo und wie nisten eigentlich die Meergänse, die nicht mehr zum Brüten in die Arktis fliegen? Das weiß Dagmar Cimiotti aus Husum. Die Biologin hat den Auftrag, Brutvögel zu beobachten und zu kartieren. Viel Arbeit, denn ihr nordfriesisches Gebiet ist das vogelreichste Areal Europas. Im Laufe der Jahre hat Dagmar jeden Quadratmeter kennengelernt und weiß, wo ihre ‚Kandidaten‘ gerne nisten.

Christine Dethleffsen schützt Seevögel gegen Prädatoren: Füchse, Marderhunde und Ratten. Regelmäßig schiebt die Nordfriesin Wache am Loren-Damm zur Hallig Oland, einer Schienenverbindung vom Festland durch das Wattenmeer. Vor allem hungrige Füchse lieben den Weg und versuchen auf die Hallig zu kommen, um sich dort satt zu fressen. Um das zu verhindern, sitzt Christine regelmäßig in der Ansitz-Lore und beobachtet, wer da so über den Damm geschlichen kommt. Ausgerüstet mit Fernglas, Nachtsichtgerät, Laserpointer und Schreckschusspistole.

Wer es geschafft hat, sich an Christine vorbei zu schleichen, wird ein Fall für Benjamin Gnep. Auch er hat den Räubern den Kampf angesagt. Dafür hat er ein Überwachungsprojekt gestartet. Zahlreiche Nester werden mit versteckten Kameras ausgerüstet. Wochenlang überwacht Benjamin das Vogelleben. Wie viele Prädatoren treiben auf den Halligen noch ihr Unwesen? Sind menschliche Eierdiebe unterwegs?

Yvonne Fritsche ist wissenschaftliche Präparatorin in Husum. Ihre Arbeiten sind keine Trophäen, die sich Jäger an die Wand hängen. Sie arbeitet für Umweltstiftungen und Museen in ganz Deutschland und ist berühmt für ihre Präzision und ihren Einfallsreichtum. Wer ihre Exponate anschaut, soll etwas über Gänse lernen können. Für den Laien ist es kaum möglich, eine lebende Gans aus der Nähe zu betrachten. Darum sind Yvonnes Exemplare eine wichtige Alternative.

 

Buch + Regie: Sven Jaax

Kamera: Dragomir Radosavljevic

Kamera: Sven Jaax

Ton: Vivien Vogel

Schnitt: Wolfgang Hemmann

Redaktion: Torge Thomsen

Redaktion: Timo Schrödl

Produktion: ARTE

Premiere: 2023