Tiefflug

360° GEO | Mai 2009 | Magellan Straße | Making OF |

Eigentlich habe ich die halben Dreharbeiten verschlafen. Na ja, fast… Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in den Wochen an der Magellanstraße habe ich tausende Kilometer in Autos, auf Schiffen oder im Hubschrauber zurückgelegt. Immer wieder die gleichen Strecken. Und das ist auf Dauer doch ermüdend. Da schläft man halt ein.

‚Mal kurz’ zum Leuchtturm? 300 Kilometer fahren. Pro Strecke natürlich. Schotterpiste. Und nachher wieder den ganzen Weg zurück. ‚Mal kurz’ auf die andere Seite der Magellanstraße? 200 Kilometer Fahren, mit der Fähre übersetzen, 200 Kilometer in die andere Richtung. ‚Mal kurz’ gibt es nicht. Nicht in unserem europäischen Verständnis. Hier ist alles weit.

Zum Glück muss ich nicht ständig selbst hinters Steuer und kann einnicken, während ein anderer fährt. Meistens Christian, der Tonmann. Nicht allen geht es so gut: das beweisen die zahlreichen Wracks am Straßenrand. Von der schnurgeraden Piste abkommen, das passiert, in dem man einschläft oder mit seinem Handy rumfummelt und verzweifelt nach Empfang sucht. Nicht selten wird man dabei ins Jenseits befördert.

Hinterlässt man eine einheimische Familie, die lässig Tradition mit modernen Stilelementen mischt, bekommt man wahrscheinlich einen plastikbunten Ehrenplatz direkt an der Fahrbahn. Überall im südlichen Patagonien fallen schrille Installationen auf, mit Outdoor-Altaren, wetterbeständigen Kunststoffblumen, lackverzierten Autofelgen, Marmorengeln und gelegentlich auch schiefen Sträuchern. Das Begrünen scheitert jedoch meistens am fiesen Wind. Der macht selbst robusten Pflanzen, trotz üppiger Windschutzanlagen, den Garaus.

Ich wollte heil heimkommen! Das wäre allerdings fast schiefgegangen. Und das lag nicht am Straßenverkehr. Schuld war auch kein waghalsiges Umsteigemanöver von Schiff zu Schiff bei Wind und Wellen auf der Magellanstraße. Schuld war ein leerer Helikoptertank.

Schon vom ersten Drehtag an wollte mir das Schicksal offensichtlich sagen: Vergiss den Hubschrauber. Aber ich war zickig. Ich wollte um jeden Preis in die Luft und ignorierte, dass sämtliche Helikopter derzeit ‚nicht flugfähig’ waren. Was das genau hieß, blieb bis zuletzt ein Geheimnis. Luftbilder mussten einfach her! Punkt. Außerdem war der Hubschrauber Teil der Geschichte. Schließlich gelang, es eine Ersatzmaschine von den chilenischen Ölfeldern abzuziehen und zu uns zu ordern. Und dann war das Ding auch kaputt! Das stellte sich allerdings erst später raus. Erstmal ging es um die Frage: Wo tanken wir? Da draußen im Wilden Westen gibt es weder Haus noch Straße, geschweige denn eine Tankstelle. Aber genau da wollten wir hin. Zusammen mit Erich, dem Lotsen. Hält man unterwegs die Tür geschlossen und dreht nicht ständig Extrarunden für Extrabilder, dann klappt es auch mit einer Tankfüllung. Aber mit der Kamera an Bord ist man ein Kerosinfresser. Der Gepäckraum wurde mit Reservekanistern gefüllt und los. Ich weiß bis heute nicht, wer so knapp gerechnet hat – aber auf dem Rückweg wurden die Piloten immer stiller. Verdächtig still. Und flogen immer tiefer. Das ist natürlich Blödsinn -100 oder 1000 Meter Fallhöhe ändert im Falle eines Absturzes reichlich wenig. Und dann machte es ‚klong’. Und die Piloten guckten nach hinten. Ich weiß nicht, was sich gelöst und verabschiedet hatte – auf jeden Fall mussten wir runter. Sonst hätten die Piloten nicht zum Heck marschieren können – mit dem Handbuch in der Hand. Genau das wäre der Punkt gewesen, an dem wir hätten aussteigen sollen. (Es wäre auch völlig egal gewesen, dass wir mitten in der Dämmerung auf irgend einer namenlosen Wiese zurück geblieben wären. Es wäre einfach nur klug gewesen.) Aber eh wir uns versahen, startete die Maschine wieder durch. Tief und mit rot blinkender Warnlampe im Cockpit ging es zum Heliport. Aufgeben gilt nicht im Land der Pioniere.

Bevor der Hubschrauber aus dem Verkehr und in die Halle gezogen wurde, hörte ich noch einen der Piloten sagen: „das war knapp.“

Auf dem Weg zu unserer Unterkunft bin ich dann wohlig eingeschlafen. Egal, welche Gefahren links und rechts der Straße lauern mochten: Alle Risiken der Landstrasse waren mit einem Schlag belanglos.